27: E-Mail-Marketing rechtssicher

LB27: E-Mail-Marketing rechtssicher (mit Volker Schleiffer)

Nach einiger Pause sprechen Volker und Frank in dieser Folge über ein altbekanntes, aber von Missverständnissen durchsetztes Thema: E-Mail-Marketing. Von manchen als "Spam" bezeichnet, sind E-Mail-Newsletter und ähnliche Formate für viele Unternehmen ein wichtiger Absatzkanal. Im E-Mail-Marketing muss auf verschiedene Rechtsgebiete Acht gegeben werden, vor allem das Wettbewerbs- und das Datenschutzrecht. Wir beleuchten, worauf Unternehmen achten müssen und wie man E-Mail-Newsletter "rechtssicher" (also mit minimalem Risiko von Abmahnungen und Klagen) versenden kann.

Auch wenn es sich eigentlich von selbst verstehen sollte, ist hier wohl ein Disclaimer geboten: Wir weisen hier auf Rechtshürden hin und erklären, worauf zu achten. Dabei geben wir auch Beispielformulierungen. Die hier gemachten Angaben sind aber bitte nicht als Einzelfallberatung zu verstehen. Auch kleine Details können die Rechtslage verändern, und jede belastbare Rechtsberatung erfordert die Einzelfallabwägung.

03:00: Definitionen

“Werbung” (im Kontext E-Mail):

BGH-Beschluss vom 20.05.2009, Az. I ZR 219/17 (“E-Mail-Werbung II”), so z. B. auch BGH-Urteil vom 12.09.2013, Az. I ZR 208/12: “Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung - beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring - erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.”

Transparenzerfordernis bei Werbung

Wir sprechen darüber, dass Werbetreibende den Werbecharakter für den durchschnittlich informierten Nutzer in der jeweiligen Zielgruppe erkennbar machen müssen. Dieses Erfordernis gilt auch und insbesondere für virale Videos und sonstige Kampagnen sowie -- vor allem in der letzten Zeit relevant -- für Influencer.

BGH-Urteil vom 06.02.2014, Az. I ZR 2/11 („Good News II“): „Das strikte Gebot der Kenntlichmachung von Anzeigen wird verletzt, wenn der präzise Begriff der "Anzeige" vermieden und stattdessen ein unscharfer Begriff gewählt wird. Die Kennzeichnung der Beiträge mit den Wörtern "sponsored by" reichte daher zur Verdeutlichung des Anzeigencharakters der Veröffentlichungen nicht aus.“

05:40: Rechtshürden und Risiken im E-Mail-Marketing

Kern der Rechtshürden ist die so genannte "unzumutbare Belästigung" nach § 7 UWG.

Zunächst thematisieren wir, ob es theoretisch möglich ist, dass ein Betroffener nach einem Rechtsgebiet eine Einwilligung abgegeben hat, in einem anderen aber nicht bzw. die Einwilligung dort nicht nutzbar ist. Außerdem sprechen wir über die Unterschiede in beiden Rechtsgebieten und die so genannten Aktivlegitimierten, also diejenigen, die nach jedem Rechtsgebiet tätig werden dürfen und damit eine potenzielle Gefahr bei nicht rechtskonformem E-Mail-Marketing darstellen.

Aktivlegitimiert nach UWG:

  • Wettbewerber
  • Verbraucherschutzvereine
  • Wettbewerbszentralen
  • IHKs
  • bestimmte andere Verbände

Datenschutzrechtlich sind bisher vor allem drohende Maßnahmen der Aufsichtsbehörden relevant.

Frank schildert drei Kernrisikoszenarien:

  • Abmahnungen/Klagen von Betroffenen (Empfängern von E-Mail-Newslettern);
  • Abmahnungen/Klagen von Wettbewerbern, Verbraucherschutzvereinen u. ä.;
  • Bußgeld von der Datenschutz-Aufsichtsbehörde.

Wir besprechen die Gegenstandswerte, involvierten Kostenrisiken und Wahrscheinlichkeiten und Schwere von Rechtsstreits, beleuchten hierbei auch die "strafbewehrte Unterlassungserklärung" (ab 13:40 min) und die Rolle der "angemessenen Vertragsstrafe" (Hamburger Brauch).

16:11: DSGVO

Wir thematisieren den materiellen und immateriellen Schaden, der nach Art. 82 DSGVO einklagbar ist. Es ist derzeit allerdings nicht absehbar, dass es die bisher befürchteten "Abmahnwellen" geben wird, auch weil die Gerichte den Schaden nach § 278 ZPO schätzen müssen/können und jedenfalls im Bereich E-Mail-Marketing schon ein materieller, aber vor allem immaterieller Schaden schwer vorstellbar ist.

Urteil des AG Diez vom 07.11.2018, Az. 8 C 130/18: Schadensersatz von mehr als 50 € steht dem Angeschriebenen nicht zu. Dieses Urteil ist aber nicht repräsentativ, weil der Kläger schon Geld bekommen hatte und das Gericht deshalb nicht darüber zu entscheiden hatte, ob dem Kläger überhaupt Geld zustünde.

19:41: Risiko Bußgeld durch die Datenschutz-Aufsichtsbehörde

Thema hier ist, wie die Risiken sind, dass Bußgelder gegen Unternehmen wegen nicht rechtskonform versendeter Newsletter verhängt werden, und welche Faktoren eine Rolle spielen, die zu einem ein Bußgeld auslösendes Audit der Behörde führen. Indizien für ein Audit:

  • zahlreiche Beschwerden Betroffener;
  • Medienberichte über Datenlecks, Hacks etc. über $unternehmen;
  • "Verdienstqualität" des Unternehmens (23:05 min).

25:00: Fazit zum Kapitel

  • Man braucht für E-Mail-Marketing in aller Regel eine Einwilligung.
  • Ausnahme: § 7 Abs. 3 UWG für Bestandskunden

Wir sprechen darüber, warum die hier genannte Ausnahme allerdings in vielen Situation nicht ratsam bzw. nicht vom werbetreibenden Unternehmen gewünscht ist.

26:10: Einwilligungen rechtskonform einholen

Wir besprechen das Double-Opt-In-Verfahren ("DOI-Verfahren", "DOI") und worauf man dabei achten muss, sowohl in Bezug auf Text wie auch auf Archivierungsgegenstände. Kritische Funktionalität hierbei ist die Individualisierung des Bestätigungslinks in der DOI-Mail, damit der jeweilge Empfänger identifizierbar ist.

Archivierungsgegenstände für das DOI-Verfahren:

  • vollständige DOI-Mail jedes einzelnen Empfängers
  • Protokoll des Servers, der die Klicks auf den Bestätigungslink registriert.

31:05: Was ist eine "gute" (wirksame) Einwilligung?

Zwei Voraussetzungen:

  • Die Einwilligung muss wirksam sein
  • und zum beabsichtigten Zweck passen.

Wir sprechen über Art. 7 Abs. 4 DSGVO und das, was im Volksmund gern etwas schief als "Kopplungsverbot" bezeichnet wird, vor allem bei der Knüpfung von Einwilligungen in den Empfang von E-Mail-Newslettern als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Gewinnspiel.

35:45: Was muss in einer Einwilligung enthalten sein?

  • Wem wird die Einwilligung erteilt?
    Hier wohl: das werbetreibende Unternehmen; manchmal schwierig bei Unternehmensverbunden.
  • Worin wird eingewilligt?
    Hier wohl: Versand von E-Mail-Werbung, manchmal auch Öffnungs- und Klicktracking.
  • Wofür (Zweck) soll die Einwilligung verwendet werden?
    Bei Werbung erklärt sich der Zweck oft von selbst, aber z. B. beim Öffnungs- und Klicktracking nicht.
  • Widerrufbarkeit der Einwilligung

Wir sprechen auch über die Sinnlosigkeit von Zusatzbemerkungen wie den folgenden:

"Damit stimmen Sie der Erfassung, Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten zu diesen Zwecken zu."

40:22: Die Einwilligung muss zum beabsichtigten Zweck passen

Thema hier ist auch, wie man damit umgeht, wenn der beabsichtigte Zweck geändert/erweitert werden soll.

41:55: Beispielformulierung für einen Einwilligungstext für E-Mail-Werbeversand und Öffnungs- und Klicktracking

Besonders hier gilt: Das ist eine Beispielformulierung, keine Einzelfallberatung.

43:10: "Darf die Checkbox vorangehakt sein?"

Wir sprechen über einen Fragenklassiker, der die Verwendung von Checkboxen im Anmeldeverfahren betrifft, und differenzieren zwischen reinen Newsletter-Anmeldeverfahren und die Verwendung von Checkboxen im Kontext anderer Dialoge, z. B. bei Online-Shops.

45:15: (Wie) kann man E-Mail-Verteiler "bereinigen"?

Wir starten mit Erfahrungen zur Quote der Unternehmen, die E-Mail-Marketing wirklich rechtskonform machen. Beim eigentlichen Thema, der Verteilerbereinigung, also der Veränderung von E-Mail-Verteilern von "Rechtswidrigkeit" zu Rechtskonformität ist zu differenzieren zwischen dem Aufsetzen eines neuen Prozesses und des tatsächlichen "Reinigens" des Bestandsverteilers.

Ab 49:17 min. sprechen wir darüber, ob und wie man DOI-Mails versenden darf, um zu fragen, ob man den jeweiligen Empfängern Werbe-E-Mails schicken darf. Sonderfall: Wie sieht es aus, wenn man diese DOI-Mails selbst provoziert, also nicht Dritte z. B. ein Web-Formular nutzen lässt und nur die DOI-Funktionalität bereitstellt, sondern absichtlich selbst als werbetreibendes Unternehmen DOI-E-Mails an einen geplanten Verteiler versendet. Bei dieser Frage klaffen aber unabhängig von der konkreten Bewertung Rechtslage und Beweisbarkeit weit auseinander.

Wir sprechen hier auch schwerpunktmäßig (ab 52:26 min.) darüber, welche Faktoren das Risiko von Rechtsstreits massiv erhöhen. Bereinigungskampagnen stehen und fallen jedenfalls regelmäßig mit nachvollziehbaren Gründen, z. B. dem Inkrafttreten der DSGVO.

55:10: Adresskauf und Adressmiete: Was ist zulässig?

Wir beleuchten die maßgeblichen Kriterien für die Zulässigkeit von Kauf und Miete und sprechen über das Lettershop-Modell und warum und wie es zulässig ist.

Außerdem sprechen wir darüber, woran man seriöse Adressvermieter erkennen und warum man sich darauf verlassen kann, dass Adressvermieter tatsächlich mindestens so viele Personen anschreiben, wie sie vertraglich zugesagt haben, obwohl man beim Lettershop-Modell die Adressen der angeschriebenen Personen nicht listenmäßig sehen kann.

60:40: FAQ und Irrglauben

60:45: "Im B2B brauchen wir keine Einwilligung"

61:25: "An Bestandskunden darf man Werbe-E-Mails auch ohne Einwilligung senden."

Wichtig hier: Warum die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG nicht unbedingt die wünschenswerte Variante ist.

65:45: Schluss

Feedback wie immer an @legal_bits@neuernick oder @ra_stiegler!

Die Einsprecher kommen wie immer von Sarah Nakic aus Köln.


© Stiegler Legal