DOI doch nicht mehr rechtssicher? Besprechung des Urteils des OLG München vom 27.09.2012 (Az. 29 U 1682/12)
Geschrieben von Frank Stiegler am .
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E-Mail-Marketer haben wohl schon von dem Urteil des OLG München vom 27.09.2012 (Az. 29 U 1682/12) gehört, und ich weil ich wissen wollte, was am Hype dran ist, habe ich es mir in Ruhe angesehen.
Was ist passiert?
Eine Steuerberatungsgesellschaft hatte eine Vermögensberatungsgesellschaft) auf Unterlassung der Zusendung einer Opt-in- und einer Anmeldungsbestätigungsmail verklagt, war in erster Instanz vor dem LG München unterlegen und hat nun im Berufungsverfahren (jedenfalls teilweise) gewonnen.
Der Sachverhalt:
An einem Sonntag im Februar 2011 (man sieht also: solch ein Urteil lässt bei einem Rechtsstreit mit Berufung gern mal eineinhalb Jahre auf sich warten) landete eine E-Mail im Postfach der Klägerin, die von der Beklagten geschickt worden war und lautete:
„Betreff: Bestätigung zum H Newsletter Willkommen bei unserem Newsletter(n)… Sie haben sich mit Ihrer Email-Adresse an folgendem oder folgenden Newsletter(n) angemeldet:
*Newsletter Wenn diese Angaben richtig sind bitten wir Sie folgenden URL zu klicken um das Abonnement zu bestätigen [Bestätigungslink] Sollte das aber ein Fehler sein, so bitten wir Sie diese Email einfach nur zu löschen. Vielen Dank“
Das kennt man ja. Ziemlich übliche DOI-Mail halt (auch wenn hier ein m. E. wichtiger Teil fehlt, nämlich die Einwilligungserklärung). Auch wenn das Urteil es nicht ausdrücklich sagt, muss die Klägerin bestritten haben, ihre Daten in das Webseitenformular eingegeben zu haben; denn ansonsten wäre das Urteil schwerstens nachvollziehbar. Selbst wenn der Zeitpunkt umstritten war, ist kurioseiweise unstreitig, dass die Klägerin auf den in dieser E-Mail befindlichen Bestätigungslink geklickt hat.
Am Tag darauf traf jedenfalls die folgende E-Mail im selben Postfach ein:
„Betreff: Willkommen beim H Newsletter Willkommen beim H Newsletter Bitte speichern Sie diese eMail als Referenz. Ihre eMail Adresse wurde für folgenden Newsletter hinterlegt: *Newsletter Um den Newsletter wieder abzubestellen klicken Sie bitte [Link] und folgen Sie den dort angeführten Schritten. Um Ihre Kontaktangaben zu aktualisieren, klicken Sie bitte auf [Link] Vielen Dank“
Urteil in erster und Berufungsinstanz
Die Klägerin hatte vor dem LG München auf Unterlassung der Zusendung von Werbe-E-Mails ohne Einwilligung und Zahlung von Schadensersatz geklagt und dort verloren. Dass die zweite E-Mail nicht unzulässigerweise zugesendet sein konnte, ergibt sich schon daraus, dass der Bestätigungslink unstreitig von der Klägerin geklickt wurde (es war jedenfalls nicht vorgetragen worden, der E-Mail-Account sei auch von anderen Personen als der Klägerin zugänglich, welchen Unterschied das dann auch immer konkret gemacht hätte). Aber auch für die erste E-Mail -- die klassische Opt-in-Mail -- war nicht überraschend, dass die Klage abgewiesen wurde:
Zum einen hatte der BGH in seinem Urteil vom 11.03.2004 (Az. I ZR 81/01) entschieden, dass Werbende durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen haben, dass es nicht zu einer fehlerhaften Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken aufgrund des Schreibversehens eines Dritten kommt, was man als Rechtsprechungsbasis von DOI schlechthin bezeichnen mag. Zum anderen aber hatte das LG München per Beschluss am 13.10.2009 (Az. 31 T 15469/09) geäußert: "Eine Bestätigungs-E-Mail, in der der User aufgefordert wird, seine Anmeldung für das zugesandte Angebot (z. B. einen Newsletter) zu bestätigen, stellt keine unerlaubte E-Mail-Werbung dar. Vielmehr ist dieses Double-Opt-In-Verfahren gerade geeignet, einen Missbrauch durch Spamming zu verhindern."
Man hatte jahrelang für Opt-in-Mails in wie ich finde widersprüchlicherweise Weise eine Ausnahme von § 7 Abs. 3 UWG gemacht. Streng genommen sind nämlich Opt-in-Mails jedenfalls dann auch schon Werbung, wenn man dem BGH in seinem Beschluss "E-Mail-Werbung II" vom 20.05.2009 (Az. I ZR 218/07) folgt, der besagt, dass auch eine E-Mail, mit der zur Bestätigung einer Bestellung im Double-opt-in-Verfahren aufgefordert wird, als Werbung unter das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG fällt (so das aktuelle diesen Beschluss zitierende Urteil des OLG München). Daran ändert es weder etwas, dass der Arbeitsaufwand zum Entfernen der einzelnen Werbe-E-Mail gering sein mag, noch, dass der E-Mail sofort zu entnehmen ist, dass sie Werbung beinhaltet. Ganz im Gegenteil muss man bei Werbe-E-Mails, die nicht als solche zu erkennen sind, außerdem über einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 3 UWG (Verschleierung von geschäftlichen Handlungen mit Werbecharakter) nachdenken. Auch so etwas könnte einen Eingriff in den eingerichteten Gewerbebetrieb darstellen, wie man übrigens auch in diesem Urteil auf S. 8 unter lit. cc. nachlesen kann.
Das heißt im Klartext:
Bisher hatte man Opt-in-Mails "zugelassen, weil's halt nicht anders geht." Das hat E-Mail-Marketer natürlich gefreut, denn ohne dieses System ist reichweitenstarkes E-Mail-Marketing praktisch unmöglich. Das ist natürlich alles verständlich, aber gesetzesdogmatisch hielt ich die "Zulässigkeitsausnahme" von DOI seit jeher für gewagt, ließ sie natürlich im Grunde automatisch auch Spammern die Möglichkeit offen, klassische Werbung als Opt-in-Mails zu "tarnen".
Wie auch immer, das LG München hatte jedenfalls wie zu erwarten die Klage abgewiesen.
Die Überraschung der OLG-Entscheidung
Die Überraschung kam jetzt im Urteil des Berufungsverfahrens, wo die Klägerin (jedenfalls teilweise) gewann. Das Gericht urteilte nämlich u. a., dass die von der Beklagten gesendete erste E-Mail unzulässig war.
Das Gericht urteilt, m. E. grundsätzlich korrekt: "Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert. Im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung setzt das deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit voraus, sie auszudrucken." Das ist an sich zwar schon überraschend, hätte aber allein noch kein verheerendes Ergebnis. Zum konkreten Sachverhalt führt das Gericht aber weiter aus: "Demgegenüber hat die Beklagte eine ausdrückliche Einwilligung der Klägerin gerade nicht vorgelegt, sondern lediglich behauptet, dass sich die Klägerin auf der Internetseite der Beklagten unter Angabe ihrer E-Mail-Adresse für das Newsletter-Abonnement angemeldet habe."
Zur Erinnerung: Es war offensichtlich streitig gewesen, ob die Klägerin ihre Daten initial auf der Webseite eingegeben hatte, jedoch nicht, dass sie den Bestätigungslink geklickt hat.
Das bedeutet:
Obwohl unstreitig ist, dass die Klägerin selbst auf den Bestätigungslink in der Opt-in-Mail geklickt hat, hat sie einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Zusendung eben dieser Opt-in-Mail, weil die Beklagte nicht beweisen oder auch nur belegen kann, dass die Klägerin wirklich selbst ihre Daten in das Webseitenformular eingetragen hat. Das Gericht lässt also die Tatsache, dass die Klägerin auf den Link in genau dieser E-Mail geklickt hat, nicht zur Überzeugung ausreichen, dass die Klägerin auch tatsächlich ihre Daten auf der Webseite eingegeben hat, sondern sagt pauschal: "Du hast keinen Beleg dafür gebracht; also bin ich nicht überzeugt, dass die Klägerin ihre Daten auch tatsächlich eingetragen hat."
Warum das Urteil problematisch ist
Das Urteil macht es praktisch unmöglich, "rechtssicheres" E-Mail-Marketing zu machen. Streng genommen hat das Gericht zwar nur gesagt, die Beklagte hätte keinen Beleg dafür erbracht, dass die Klägerin selbst ihre Daten auf der Webseite eingetragen hat. Praktisch gesehen führt das zu einem erheblichen Problem: Website-Betreiber können ja maximal die eingetragenen Daten und die IP-Adresse des Eintragenden (und gegebenenfalls weitere endgerätebezogenen Daten) protokollieren. Selbst wenn man jedoch eben diese weiteren Daten erhöbe, wäre ein Abgleich mit der Person des jeweiligen Abonnenten praktisch nur mit nicht zu bewältigendem Aufwand möglich. Man mag sich nur einmal vorstellen, wie Internet-Provider, selbst wenn sie wollten, dem immensen und konstanten Anfragenbombardement aller E-Mail-Marketing betreibender Unternehmen Herren werden wollten. Dass ein solcher Abgleich außerdem Datenschützer aller Lager auf die Barrikaden triebe, macht dann schon fast keinen Unterschied mehr.
Die Konsequenz des Urteils
Streng genommen muss man aus dem Urteil ziehen: Machen Sie E-Mail-Marketing nur noch, wenn Sie die ausdrückliche Einwilligung jedes einzelnen Abonnenten möglichst schon zum Zeitpunkt des Zusendens der Opt-in-Mail vorlegen können. Diese E-Mail ist ironischerweise gerade das von den Gerichten seit Jahren "offiziell anerkannte" Medium zur Verifizierung der Einwilligungserklärung. Ein typisches Henne-Ei-Problem: ohne Opt-in-Mail keine Prüfungsmöglichkeit, ohne Prüfungsmöglichkeit keine belegbare Einwilligung.
Wie sich nach diesem Urteil auch der redlichste E-Mail-Marketer rechtskonform verhalten soll, ist mir, so ungern ich das sage, unklar. Ziemlich sicher wird dieses Urteil für einigen Wirbel sorgen, und möglicherweise bringt eine Revision dieses Urteils Klärung.
Update:
Das OLG Frankfurt hat sich in seinem Urteil vom 30.09.2013 -- also ziemlich genau ein Jahr später -- kritisch zu der Auffassung des OLG München geäußert, schon eine Double-Opt-In-Mail sei Werbung. So pauschal wie angenommen scheint diese Ansicht also nicht mehr bestehen zu bleiben. Vorsicht ist natürlich nach wie vor geboten.