Kampagnenvorschlag zum “Aufräumen unsauberer” E-Mail-Verteiler

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Wenn Sie E-Mail-Marketing betreiben, vermutlich für Sie. Jedenfalls dann, wenn Sie auch — wie meine Seminarteilnehmer — hochschrecken würde, wenn ich Ihnen so etwas sage. Wenn Sie sich die Frage stellen, was Sie denn nun tun sollen, wenn Sie Ihr E-Mail-Marketing nicht einstampfen wollen, dann ist dieser Artikel für Sie.

Allgemeiner gesagt: für alle Unternehmen, die Werbe-E-Mails an einen Verteiler schicken, aber im Ernstfall keine entsprechende Einwilligung belegen könnten. Vor allem betroffen sind in der Praxis Newsletter-Anmeldungen, die unabhängig vom Kauf einer Ware oder Dienstleistung oder von einer Mitgliedschaft in einer Online-Community laufen; denn hier lässt sich die Identität eines Klickenden am schwierigsten prüfen. Wenn eine Abmahnung wegen unzumutbarer Belästigung nach § 7 UWG oder unerlaubter Nutzung personenbezogener Daten ins Haus flattert, haben Sie  kein wirksames Verteidigungsmittel, und das kann teuer und lästig sein.

Wenn Sie sich auf Double-Opt-In (DOI) als Allheilmittel zurückziehen, sollten Sie besonders aufpassen: Seit der Entscheidung des OLG München vom 27.09.2012 (Az. 29 U 1682/12) hat das Einwilligungsproblem in der Praxis erheblich an Bedeutung gewonnen (vgl. dazu meinen Blog-Artikel); denn seitdem ist in vorher nicht da gewesener Deutlichkeit bestätigt, dass schon das Zusenden der Opt-In-Mail (oft auch „DOI-Mail“ genannt) eine unzumutbare Belästigung sein kann. Das Problem, das das Gericht sah: Der Newsletter-Versender habe die Einwilligung in die Zusendung der Opt-In-Mail (wohlgemerkt: es ging um die Opt-In-Mail, nicht um den eigentlichen Newsletter!) nicht ausreichend belegt.

Ein solcher geforderter Beleg ist praktisch oft unmöglich, wenn man bedenkt, dass man Daten beliebiger Personen auf einem Web-Newsletter-Anmeldeformular eingeben kann. Wer immer eine Opt-In-Mail bekommt, kann pauschal behaupten, er habe das Formular nicht ausgefüllt, womit ein Beleg der Einwilligung regelmäßig kippt. Aus genau diesem Grund wurde ja das Double-Opt-In-Verfahren erst geboren.

In diesem Artikel geht es darum, wie Sie Ihren Verteiler „aufräumen“ (also belegbare Einwilligungserklärungen einholen) und dabei das Risiko, Rechtsstreits ins Haus zu holen, möglichst minimieren können. Selbstverständlich liegt ein weiterer Fokus darauf, den Verteiler nicht unnötig zu verkleinern.

Annahmen für die hier skizzierte Kampagne

  1. Die Kampagne sollte grundsätzlich nur an den Teil des Verteilers gehen, für den man keine belegbaren Einwilligungen fürs Zusenden von Werbe-E-Mails hat.
    Für alle anderen ist die Kampagne sinnlos bzw. schädlich. 
  2. Die Empfänger können (faktisch oder praktisch) nur per E-Mail erreicht werden.
    Wenn Sie Einwilligungen auf anderem Weg (Papier ist ideal) einholen können, sind Sie damit vielleicht besser beraten.
  3. Das bisherige E-Mail-Marketing des Werbetreibenden ist so lukrativ, dass es sich lohnt, „offen eine Rechtsverletzung zuzugeben.“ Klar muss nämlich sein: Wenn Sie bislang Werbe-E-Mails verschicken, ohne dafür eine Erlaubnis der Empfänger zu haben, hatten Sie schon vorher ein Abmahnrisiko gehabt. Das mag gut gegangen sein. Wer jedoch eine Kampagne startet, in der er zugibt, dass er „eigentlich vorher keine E-Mails versenden durfte“, muss besonders gekonnt kommunizieren, wenn er sich nicht den Zorn des Verteilers (und damit Abmahnungen) aufhalsen möchte. Anders als mit halbwegs offener Kommunikation lässt sich eine wirksame Einwilligung nicht gewinnen.

Die Kampagne im Überblick

Die Kampagne besteht aus maximal drei E-Mails, die nacheinander an den „undichten“ Verteiler gesendet werden. Jede E-Mail enthält:

  • mindestens einen überzeugenden Nutzen, sich „anzumelden“,
  • den vollständigen Einwilligungstext,
  • Links zur Anmeldung und zur Abmeldung.

Für die Versandfrequenz und -zeiten der drei E-Mails gibt es – wie sonst auch im E-Mail-Marketing – keine allgemein gültigen Ideale. Wichtig ist vor allem, dass der Verteiler die E-Mails wahrnimmt. Die Kampagne sollte also z. B. nicht während klassischer Urlaubszeiten durchgeführt werden.

Der in jeder E-Mail kommunizierte Nutzen sollte unterschiedlich von den anderen sein. M. E. ist es nicht nur riskant, sondern aus Marketing-Gesichtspunkten auch nachteiligt, plumpe „Nachhak-E-Mails“ zu senden. Es verspricht deutlich größeren Erfolg, unterschiedliche Empfänger mit unterschiedlichen Nutzen „einzufangen“.

Für extrem wichtig halte ich auch die Möglichkeit in jeder E-Mail, sich abzumelden. Denn wer offen kommuniziert, dass er einen Rechtsbruch begeht, und hierbei nicht einmal eine einfache Möglichkeit bietet, die Rechtsbrüche zu beenden, holt sich verlässlich Ärger ins Haus.

Am Ende der Kampagne werden alle Empfänger, die nicht auf den Anmeldelink geklickt haben, abgemeldet.

Der Klarheit halber: Es bringt Ihnen keinen spürbaren Vorteil, sondern vorhersehbar nur Nachteile, wenn man offen die Rechtswidrigkeit des eigenen E-Mail-Marketings zugibt, deshalb (streng genommen rechtswidrigerweise) um Einwilligungen bittet und am Ende doch weiter macht wie vorher. Wenn Sie das vorhaben, schadet Ihnen diese Kampagne nur. Entweder ganz oder gar nicht.

Die Einwilligungserklärung

Die gewünschte Einwilligungserklärung muss möglichst klar sagen, wer was wie wofür tun darf. Wie diese Antworten gegeben werden und wie das formuliert wird (z. B. auch die Frage, ob man in „Sie“ oder „ich“ schreibt), ist Sache des Einzelfalles. Klassischerweise sind Sie der „Wer“, „Was“ das Zusenden von Werbung (hier müsste aber auch das personenbezogene Klicktracking auftauchen, wenn Sie das machen wollen) und das „Wie“ das Medium E-Mail. Der Zweck, also das „Wofür“, ist im Falle von Werbung regelmäßig schon angegeben. So kann Ihre Einwilligungserklärung z. B. lauten:

„Ja, ich bin einverstanden, dass mir die X GmbH Werbe-E-Mails schickt. Ich kann diese Einwilligung jederzeit über einen Klick auf „Abmelden“ widerrufen, den ich in jeder Werbe-E-Mail finde.“
Bitte verstehen Sie: Eine Einwilligungserklärung ist immer Einzelfallsache. Das ist wie gesagt ein Beispiel.

Was genau muss archiviert werden?

Bei Einwilligungserklärungen über Klickverhalten bei Newsletter-Anmeldungen müssen seither zwei Dinge protokolliert und archiviert werden, um einen Beleg zu haben: die (vollständige) Opt-In-Mail und das Serverprotokoll, das den KIick auf den Bestätigungslink enthält. Es kommt also im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht primär auf das Anmeldeformular im Web an; denn dort kann jeder anderer Leute Daten eingeben. Eine pauschale Behauptung des Klägers, er habe seine Daten dort nicht eingegeben, lässt Ihre Verteidigung ansonsten in sich zusammen fallen. Seit dem besagten OLG-Urteil ist es allerdings ratsam, auch das Web-Anmeldeformular mit eingegebenen Inhalten und den Zeitstempel des Klicks auf „Absenden“ zu protokollieren. Alle diese Dinge sind streng genommen wegen der Manipulierbarkeit keine stichfesten Beweise, aber Sie sind das Beste, was Sie als werbetreibendes Unternehmen mit einem nicht nur unwesentlichen E-Mail-Verteiler vorzeigen können.

Die hier vorgeschlagene Kampagne ist rechtlich unzulässig.

Ja, richtig gelesen: unzulässig. Zugegeben: Es kommt nicht oft vor, dass ein Anwalt eine unzulässige Kampagne vorschlägt; denn es ist klassischerweise sein Job, gesetzeskonforme Dinge zu empfehlen.

Vergegenwärtigen Sie sich bitte: Wenn Sie streng genommen vorher schon keine E-Mails an den Verteiler schicken durften, dürfen Sie natürlich auch keine E-Mails schicken, um zu fragen, ob Sie weiter E-Mails schicken dürfen. Warum ich Ihnen diese Kampagne hier dennoch vorschlage?

Aus zwei Gründen:

  1. Erstens ist eine solche Kampagne das einzige, was einem (nur über E-Mail) Werbetreibenden bleibt. Denn die einzige rechtlich zulässige Alternative wäre, das E-Mail-Marketing in dieser Beziehung komplett einzustellen. Das will ein Unternehmen mit lukrativem E-Mail-Verteiler aber nicht. Die entscheidende Frage – abgesehen vom Blacklisting-Risiko, das der E-Mail-Marketing-Systemanbieter an den Werbetreibenden weitergeben kann – ist also wohl eher, ob das bisherige E-Mail-Marketing so lukrativ war, dass sich die Kampagne zum Einholen solider Einwilligungen lohnt, oder es angesichts drohender Risiken wirtschaftlich sinnvoller ist, das E-Mail-Marketing vollständig einzustampfen.
  2. Zweitens ist eine „Aufräumen“-Kampagne richtig umgesetzt eine gute Gelegenheit, gleichzeitig den Nutzen des eigenen E-Mail-Marketings zu prüfen und zu unterstreichen und außerdem dem eigenen Verteiler zu kommunizieren, wie wichtig dem Unternehmen der vertrauensvolle Umgang mit personenbezogenen Daten ist. Die zunehmenden Medienberichte über Ausspähung und Missbrauch von Daten fördern das Bewusstsein der Öffentlichkeit für dieses Thema seit Jahren erheblich.

Worauf sollte in der Kampagne besonders geachtet werden?

  • „Schlafende Hunde“ sollten nach Möglichkeit vor dem Start der Kampagne identifiziert und ausgeschlossen (und vom Verteiler abgemeldet) werden. Bei allem Respekt für offene Kommunikation muss man sich Ärger mit Querulanten und Weltverbesserern nicht absichtlich ins Haus holen. Wenn Ihre Zielgruppe Anwälte sind, sollten Sie E-Mail-Marketing vermutlich noch vorsichtiger angehen.
  • Jeder Empfänger fragt sich zuerst, was er davon hat, dass er etwas tut? Diese Frage sollte das werbetreibende Unternehmen möglichst klar beantworten. Immerhin ist in der hier vorgeschlagenen Kampagne in drei E-Mails für unterschiedliche Nutzen Platz.
  • Wie oben gesagt sollten alle wesentlichen Dinge archiviert werden. Sonst steht das Unternehmen am Ende der Kampagne noch immer ohne belegbare Opt-Ins da, obwohl sie durchaus Vorteile bringen kann.

Brauchen Sie Unterstützung bei einer solchen Kampagne? Lassen Sie es mich wissen!

Viel Erfolg!


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