LG Köln: übliche Bildverlinkung bei Stock Images? Urheberrechtsbruch!

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Die Ausmaße des hier besprochenen Urteils des LG Köln vom 30.01.2014 
(Az. 14 O 427/13) könnten so weitreichend sein, dass ich diesen Beitrag auch so hätte nennen können:

"Verwendung von Stock Images riskant geworden!"

oder auch, zugegebenermaßen etwas reißerisch:

"Ah, das LG Köln hat das Internet kaputt gemacht."

Als ich gestern den letzten Eintrag im Bestatterweblog las, war ich sicher, dass der Autor Peter Wilhelm übertrieben hatte. Bitte nicht böse sein, Herr Wilhelm. Ich bin immer misstrauisch, wenn ich juristische Neuigkeiten von Nichtjuristen lese. Ich sehe mir dann lieber erst mal das Urteil an, dann sehen wir weiter. Der Kollege Niklas Plutte hat das Urteil im Volltext zur Verfügung gestellt. Danke sehr dafür!

Es hat sich jedoch leider heraus gestellt, dass Herr Wilhelm inhaltlich nicht übertrieben hat.

Was geschehen war

Die (Verfügungs-)Beklagte hatte ein Bild von Pixelio gekauft, das von dem Hobbyfotografen Patrick Jenning stammte, und auf ihrer Website verwendet. Das Bild wurde wie üblich mit einem Bildverweislink eingebunden, so wie man das eben in HTML üblicherweise macht. Pixelio forderte in seinen Lizenzbedingungen für die Bildnutzung u. a.:

"Der Nutzer hat in der für die jeweilige Verwendung üblichen Weise und soweit technisch möglich am Bild selbst oder am Seitenende PIXELIO und den Urheber mit seinem beim Upload des Bildes genannten Fotografennamen bei PIXELIO in folgender Form zu nennen: 
'© Fotografenname / PIXELIO'

Bei Nutzung im Internet oder digitalen Medien muss zudem der Hinweis auf PIXELIO in Form eines Links zu www.pixelio.de erfolgen."

Genau das tat die Beklagte auch; jedenfalls dachte sie das. Sie bettete das Bild jedenfalls auf einer Webseite mit einem Verweis "Bild: [Schöpfername bei Pixelio] / pixelio.de" ein.

Warum geklagt wurde

Streng genommen hat der Schöpfer des Werkes (hier also der Fotograf) gar nicht direkt geklagt, sondern erst einmal abgemahnt und dann eine einstweilige Verfügung erwirkt. Das bedeutet, wir reden hier über einstweiligen Rechtsschutz und nicht über eine "endgültige Klage". Soweit ich das sagen kann, steht ein "endgültiges" Urteil noch aus.

Der Grund für die Abmahnung und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung: Das eingebundene Bild war direkt über seine URL aufrufbar ist, ohne dass der Urhebervermerk wie in den Pixelio-Bedingungen gefordert auftaucht.

Daraus schlussfolgerte der Urheber, dass die Beklagte sein Recht auf Urhebernennung (normiert in § 13 UrhG) verletzt habe.

Wenn Sie jetzt -- wie ich zunächst -- denken, mit so einem Anliegen käme ein Abmahner niemals durch, lesen Sie weiter.

Das LG Köln hat die einstweilige Verfügung erlassen. Damit hat das LG Köln geurteilt, dass jeder Verwender von Stock Images, die einen Urhebervermerk haben müssen, seine Lizenzbedingungen verletzt, wenn die Bilder direkt (ohne Anzeige des Verweises) abrufbar sind.

Zu den wesentlichen Stellen des Urteils:

Einleitung: die Verletzung

"Die Verfügungsbeklagte hat die Bedingung nach Ziff. IV der Lizenzbedingungen [...] nicht erfüllt. Denn insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich in der unter diesem URL verfügbaren Internetansicht keinerlei Urheberbenennung befindet. [...]

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Verfügungsbeklagte die Bedingungen nach Ziff. 4 der Lizenzbedingungen bereits in ausreichender Weise erfüllt habe, indem sie unter dem URL [...] wo das streitgegenständliche Bild zur Illustration des Artikels dienen sollte, [Anm.: also wo es normal in die Webseite eingebunden und ordnungsgemäß mit Verweis versehen wurde] am unteren Seitenende die Benennung: "Bild: [...] / pixelio.de" anbrachte. [...]"

Zusatzgedanke: korrekte Nennung

Interessanter Zusatz, der hier aber irrelevant war, weil das Gericht ja schon sagte, dass der Urheberverweis auf der Webseite mit Bild nicht für den Direktaufruf des Bildes reicht: Die Beklagte hat streng genommen vielleicht nicht einmal auf der "normalen" Webseite die Lizenzbedingungen erfüllt. Die Bedingungen fordern nämlich eine Nennung wie:

"© [Fotografenname] / PIXELIO"

Die Beklagte schrieb es jedoch so:

"Bild: [Fotografenname] / pixelio.de" 

Ja, mir ist bewusst, wie pedantisch dieser Hinweis wirken mag, aber wir bewegen uns gerade in exakt so einem Fahrwasser. Aus juristischer Sicht rate ich, solche Hinweis exakt so zu setzen, wie die Bedingungen es vorsehen. Alles andere kann ein Verstoß gegen die Lizenzbedingungen sein.

Eigenständige Verwendung: Zugänglichmachung des Bildes

"Denn bei den Verwendungen des streitbefangenen Bildes auf unterschiedlichen URL handelt es sich um verschiedene "Verwendungen" im Sinne von Ziff. IV. der Lizenzbedingungen, die jeweils eine gesonderte Urheberbenennung erfordern. Lizenzbedingungen stellen insoweit eindeutig auf die jeweilige Verwendung ab. Wird das Bild also mehrfach genutzt, so ist auch eine mehrfache Urheberbenennung erforderlich. Dies gilt unabhängig davon, ob man jeden URL als eigenständige Internetseite oder lediglich als Unterseite bzw. als Einbettung einordnen mag. Denn jeder URL kann individuell und unabhängig von anderen URL gesondert aufgerufen und entsprechend eingestellte Bilder mittels der Bildersuche bei Internetsuchmaschinen aufgefunden werden. [...]"

Hier sagt das Gericht also etwas, das vermutlich jedem versierten Internet-Nutzer unfassbar erscheint. Dass ein Bild nämlich "nackt" angezeigt werden kann -- unabhängig davon, ob die Beklagte das wollte oder gar von dieser Möglichkeit wusste --, reicht dem Gericht aus, um eine lizenzrechtlich separate Verwendung, also sozusagen eine aktive Mehrfachnutzung anzunehmen. Dem stimme ich nicht zu; denn:

Die Lizenzbedingungen fordern, dass "der Nutzer in der für die jeweilige Verwendung üblichen Weise und soweit technisch möglich am Bild selbst oder am Seitenende [...] nennen [muss]". Das hat er m. E. getan, weil er den Hinweis für "seine Verwendung" gesetzt hat. Den eigenständigen Aufruf des Bildes hat er, soweit für mich ersichtlich, in keiner Weise gefordert oder gefördert, sondern er hat getan, was im Internet üblich ist. Aus einer technischen Möglichkeit eine eigenständige Verwendung zu konstruieren, halte ich für falsch.

Zusatzgedanke: "soweit technisch möglich"

Darüber hinaus halte ich den Zusatz "soweit technisch möglich" in den Lizenzbedingungen für unklar formuliert, was nach AGB-Grundsätzen zu Lasten des Verwenders, nicht des Vertragspartners gehen darf. 

Obwohl der Wortlaut streng genommen sagen dürfte, dass jeder Verwender alles tun muss, was technisch möglich ist (und eben nicht, was üblich ist), wird der durchschnittliche User darunter wohl eher verstehen, dass er tun muss, was üblich ist. Kein durchschnittlich informierter User dürfte darunter verstehen, dass er Maßnahmen ergreifen muss, die erstens im Zweifel erhebliche zusätzliche Investitionen bedeuten (denn eine Website-übergreifende Zusatzroutine, die Direktabrufe von Bildern so umleitet, dass Zusatzinformationen angezeigt werden, kostet Geld) und die zweitens auch im Markt überhaupt nicht verbreitet sind, "auf  die man also erst mal kommen muss". Dem Lizenzvertragspartner eine solche "deutlich über Standard"-Pflicht AGB-mäßig ohne besonderen Hinweis aubürden zu wollen, halte ich für eine überraschende oder jedenfalls für eine unangemessene Benachteiligung, die nach AGB-Grundsätzen unwirksam ist.

Die Lizenzbedingungen von Pixelio sind deshalb m. E. dahingehend auszulegen, dass der Vertragspartner tun muss, was üblich ist, mehr nicht. Wenn dem Schöpfer des Werkes nicht gefällt, was das bedeutet, soll er sich an Pixelio wenden, die die Bedingungen stellen, nicht an den Vertragspartner.

Impressumsgrundsatz nicht anwendbar

"Eine Vergleichbarkeit etwa mit der Impressumspflicht besteht aufgrund des unterschiedlichen Rechtscharakters des Urheberbenennungsrechts insoweit nicht."

Einfach so, keine Begründung oder Herleitung.

Zum Verständnis: Die Impressumspflicht ist in § 5 TMG geregelt. Wir bewegen uns mit Urheberrechtsverletzungen aber im UrhG. Zwei Bereiche, zwei Regelungen, ganz klar. Leider meines Erachtens viel zu pauschal und darüber hinaus m. E. inhaltlich nicht einmal richtig.

Ein Impressum muss von jeder Seite einer Web-Präsenz "schnell" erreichbar sein, möglichst mit einem Klick, möglichst ohne Scrollen, möglichst wörtlich "Impressum" genannt. Ja, es gibt unterschiedliche Ansichten zu allen drei Aspekten. Das ist hier irrelevant. Wichtig ist, dass der Anbieter einer Website über das Impressum "sagen muss, wer für die Inhalte verantwortlich ist". Es muss also auch für jeden Aspekt der Website klar sein, wer verantwortlich ist (wobei auch Verantwortlichkeiten für Bereiche einer Präsenz natürlich denkbar sind; man denke nur an Unternehmenspräsenzen auf facebook.com oder in anderen sozialen Netzwerken).

Geht nun jemand hin und lässt sich nur einen Teil einer Webseite darstellen, etwa indem er die URL eines iFrames oder so etwas eingibt, ist die Chance recht groß, dass das Impressum nicht angezeigt wird. Jedenfalls kann man mit etwas Kenntnis von der Funktionsweise von HTML relativ leicht Content-Schnipsel darstellen, die keinen Impressumshinweis tragen. Es kam bisher aber -- m. E. zu Recht -- niemand auf die Idee, deshalb den Website-Betreiber abzumahnen. Genau das hat hier aber jemand getan, und hier soll etwas anderes gelten, weil es hier um Urheberrecht und nicht "nur um Telemedienrecht" geht? Denklogisch müsste das Gericht davon ausgehen, dass ein "nicht-Absichern gegen Content-Zerpflücken" eine Impressumspflichtverletzung darstellt, weil der Website-Betreiber ja so eine Website auch "anbietet".

Obendrein gesagt: Diese Differenzierung lässt sich keinem juristischen Laien begreiflich machen. Da macht man Recht für Juristen. Ich weiß, das ist kein juristisches Argument.

Direktabruf möglich = Hinweis erforderlich 

"Es mag zutreffend sein, dass in der großen Zahl von Fällen bei im Internet veröffentlichten Bildern unter einem URL, über den nur die "nackte" Bilddatei angezeigt wird, gegenwärtig tatsächlich keine Urheberbenennung erfolgt. Dass eine solche Bezeichnung hingegen technisch möglich ist und auch praktisch vorkommt, hält die Kammer durch den Vortrag des Verfügungsklägers unter beispielhaftem Hinweis auf den URL [...] für hinreichend glaubhaft gemacht. [...]"

Im Klartext heißt das: "Ist doch egal, wenn keiner die Bilddateien auf seiner Website gegen direkten Aufruf absichert. Das geht technisch, also müssen das auch alle machen, wenn sie lizenzierte Bilder nutzen."

"Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Stellungnahme von Pixelio [...]. Soweit es dort heißt: "Die Bildquelle muss nicht in der Bilddatei an sich stehen", wird in der Folge ausgeführt: "Wir empfehlen aber auch, die Bildquelle auf automatisch generierten Seiten anzugeben, z.B. wenn die Bilddatei verkleinert auf der eigentlichen Internetseite dargestellt und durch anklicken auf einer neuen Seite größer angezeigt wird". Dass eine Urheberbenennung somit in bestimmten Fällen überhaupt nicht notwendig sein sollte, lässt sich dem nicht entnehmen. Ausnahmen vom Urheberbenennungsrecht sind generell nur unter sehr strengen Voraussetzungen zuzulassen, denn das Benennungsrecht gehört zu den wesentlichen Urheberpersönlichkeitsrechten (OLG München NJW_RR 2003, 1627 -- Pumuckl-Illustrationen)."

Mir ist ehrlich gesagt nicht klar, wie (oder ob überhaupt) Pixelio mit seiner Stellungnahme zum Verfahren beitragen wollte. Die hier streitgegenständliche Frage -- nämlich ob seine Lizenzbedingungen auch fordern, dass ein Urheberverweis auch dann auftauchen muss, wenn das Bild "nackt" abgerufen wird, beantwortet das Statement jedenfalls nicht, sondern redet mit einer "z.B.-Empfehlung" für Thumbnail-Bilder (also einen völlig anderen Fall) um die eigentliche Frage herum, vermutlich weil man weder Fotografen noch Bildnutzer als Kunden vergrätzen möchte.

Der pauschale Hinweis des Gerichtes auf das Urheberbenennungsrecht als "wesentliches Urheberpersönlichkeitsrecht" beantwortet mir jedenfalls nicht die Frage, wieso ausgerechnet der Betreiber ein Website bei üblicher Einbettung einer bezahlten Bilddatei mit Urheberverweis (über eine "aktive Verwendung" gegen die Lizenzbedinungen verstoßen soll, wenn ein Nutzer die Datei "nackt" abruft.

Fazit und Ausblick

Ich halte das Urteil nicht nur für ergebnisorientiert nicht richtig, sondern auch für sachlich falsch. Das Gericht hätte die technische Möglichkeit, ein Bild von der Website der Beklagten direkt über URL herunter zu laden, nicht als eigene Verwendung sehen dürfen, wenn die Beklagte zur Einbettung übliche Standards verwendet.

Unternehmen sollten jedenfalls spätestens jetzt noch vorsichtiger mit der Einbettung von Bildmaterial von Stock Image-Anbietern sein und sich auf jeden Fall Lizenzbedingungen jedes einzelnen Anbieters ganz genau ansehen, bevor sie mit deren Bildern arbeiten.

Es ist auch ratsam, Material von Internet-bekannten Abmahnern zu meiden, die sogar ihren eigenen Kunden lieber mehr Geld durch Abmahnungen und Rechtsstreits aus der Tasche ziehen wollen als Einigungen finden zu wollen.

Einziger Wehrmutstropfen dieses Rechtsstreits ist, dass es hier noch um den einstweiligen Rechtsschutz ging, also noch nicht um das Hauptsacheverfahren. Es bleibt zu hoffen, dass ein höheres Gericht die technische Möglichkeit, ein Bild direkt ohne Urheberhinweis abzurufen, nicht als eigenständige Verwendung ansieht.

Zusatzgedanke zum Mobile Marketing

Übrigens hat dieses Urteil Konsequenzen für einen Bereich, an den vermutlich bislang in der Aufregung niemand so richtig gedacht hat, nämlich für Mobile Marketing. Dass Bilder nicht nur an stationären Rechnern oder Rechnern "mit großen Bildschirmen" entsprechende Hinweise tragen müssen, dürfte ja noch jedem einleuchten. Das bedeutet aber, dass entsprechende Hinweise auch auf mobilen Geräten so platziert werden müssen, dass ein "situationsadäquat aufmerksamer" und durchschittlich versierter Internet-Nutzer den Hinweis wahrnehmen muss. Dass das Display des jeweiligen Endgerätes zu klein sei, dürfte ein Gericht als Verteidigung kaum durchgehen lassen.

Update 04.02.2014

Wie lustig: Pixelio hat zum Urteil Stellung genommen! Interessanterweise sagt Pixelio, eine Urhebernennung bei direktem "nacktem" Aufruf des Bildes sei nicht möglich, was wohl nicht stimmt, und versteht m. E. das Urteil auch dahingehend falsch, dass das Gericht eine Einbettung des Urheberhinweises in der Bilddatei selbst gefordert hätte. Interessant ist auch der Hinweis, dass eine Direktverlinkung von Bildern bis zu HTML Version 3.2 erforderlich sei. Weiß jemand Näheres dazu, ob das stimmt?

Ich freue mich natürlich auch, dass Pixelio meine Auffassung zur Parallelität zur Impressumspflicht teilt. Zu begrüßen ist auch ganz besonders, dass Pixelio seine Lizenzbedingungen anpassen möchte. Abschließend spricht Pixelio davon, dass sie sich an der Berufung gegen das Urteil beteiligen werde. Mal sehen, welche Konsequenzen das haben wird.

UPDATE 18.03.2014

Die Sache ist in Berufung beim OLG Köln gegangen.

UPDATE 21.08.2014

Der Verhandlungstermin am 15.08. ist vorüber. Urteil steht noch aus. Patrick Jenning wurde zwischenzeitlich von Pixelio mit all seinen Fotos ausgeschlossen.


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