Vorgehensbeispiel gegen Binary Services

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Die Welle der Aufregung und — wie ich finde zu Recht — Empörung über die Binary Services-Abmahnwelle, die über den Anwaltskollegen Kallert lief und vermutlich in Teilen immer noch läuft, ist jetzt schon ein paar Monate alt. Auch bei mir haben sich Mandanten gemeldet, die einen der Liebesbriefe erhalten hatten.

Ich habe eine Mandantin von mir, eine Agentur unter anderem für SEO (Suchmaschinenoptimierung), in dieser Sache verteidigt. Auch von ihr wollte Binary Services die üblichen 265,70 € haben, weil ihr angeblich ein Wettbewerbsnachteil wegen eines nicht vollständigen Impressums meiner Mandantin auf deren Facebook-Seite entstanden sei. Die Summe wirkt nicht hoch, und ich bin mir sicher, dass viele diese Summe blind bezahlt haben, weil sie lieber Ruhe haben wollen und weil ein eigener Anwalt natürlich auch Geld kostet. Verständlich und doch fragwürdig; denn einer Sache muss man sich bewusst sein: Wenn manche Leute sehen, dass die Masche zieht, tun sie das einzig Logische: sie machen weiter.

Ich zitiere die Anspruchsbegründung für den Teil, aus dem sich ergeben soll, dass Binary Services einen Nachteil aus dem angeblich fehlenden Impressum hat:

“Durch das Fehlen des Impressums befinden Sie sich naturgemäß häufiger mit der Geltendmachung von Verbraucherrechten konfrontiert als das bei Ihnen im Hinblick auf das fehlende Impressum der Fall ist.”

Auf Klardeutsch heißt das: “Weil Sie, liebe SEO-Agentur, ein Detail Ihres Impressums weggelassen haben, wenden sich Verbraucher seltener in Bezug auf ihre Rechte an Sie, als das bei vollständigem Impressum der Fall wäre.”

Lassen wir mal die Tatsache weg, dass meine Mandantin überhaupt kein Geschäft mit Verbrauchern macht; Verbraucher (welche auch immer) können sich ja trotzdem “mit der Geltendmachung von Verbraucherrechten” an meine Mandantin wenden. Was auch immer das soll oder was auch immer meine Mandantin dann tun soll, außer vielleicht deren private Website suchmaschinenfit zu machen. Scheinbar hat niemand hinterfragt, wer diese Binary Services eigentlich ist, oder mal im Handelsregister nachgesehen, dass es Binary Services erst etwa ein Jahr gibt. Findet es niemand merkwürdig, dass sie so gut wie alle Dienstleistungen im IT-Sektor erbringen möchte, wo ihre beiden Geschäftsführer vermutlich die 30 noch nicht hinter sich haben?

Ich habe meine Mandantin gefragt. Niemand dort — und auch nicht bei Konkurrenten, mit denen man sich natürlich austauscht — hat je vorher von Binary Services gehört. Mir kommt es extrem konstruiert vor, wenn ein Unternehmen, das (so nehmen wir mal an) auch im SEO-Bereich arbeitet, behauptet, es habe einen Wettbewerbsnachteil daraus, dass ein anderes Unternehmen seltener mit “der Geltendmachung von Verbraucherrechten” konfrontiert werde.

Jedenfalls habe ich dem Kollegen Kallert daraufhin ein Schreiben geschickt, das ich hier anonymisiert zum Download anbiete. Warum? Weil ich kann, weil es mir meine Mandantin in dieser Form erlaubt hat und weil wir hoffen, damit ein paar Ideen für zukünftige Verteidigungen bei diesen oder ähnlichen Fällen zu geben. Ich halte es schlicht für unverschämt, wenn Unternehmen, die auf dem Markt nichts und wieder nichts zu melden haben, solche Abmahnwellen starten und damit nur Aufmerksamkeit erhaschen wollen. Außerdem könnten Sie mein Schreiben auch unterhaltsam finden.

Zum Sachstand: Ich habe seit meinem Schreiben nichts mehr von Binary Services gehört, gehe aber davon aus, dass sie noch nicht erledigt ist. Da offenbar hunderte Abmahnungen in dieser Sache heraus gegangen sind, wird der Kollege Kallert vermutlich entweder noch “einfachere” Fälle abarbeiten, oder vielleicht hat sich Binary Services angesichts der vielen gezahlten Schadensersatzsummen auch beruhigt. Man wird sehen.


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