Folge 11: Fake News, Facebook, Filterblase

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01:04: Inhaltliche Einleitung

In den Medien grassieren Meldungen über Fake News (und die Fake News selbst natürlich), und bis auf diejenigen, die mit Ihnen ein Ziel verfolgen, versuchen, Fake News zu verhindern. Ausgelöst durch den Rechtsstreit von Anas M. -- der damalige Flüchtling, der ein Selfie mit Angela Merkel gemacht hatte, dabei fotografiert wurde und dessen so entstandenes Foto seitdem für allerlei vor allem rechts motivierte Lügen und Hetze missbraucht wird -- gegen Facebook, besprechen wir in dieser Folge, was Fake News eigentlich sind, welche Regeln für ihr Verbreiten gelten, was man online äußern darf und welche Konsequenzen das haben kann. Thematisiert werden Fake News ebenso wie falsche Bewertungen, Beleidigungsdelikte und Kunst- und Meinungsäußerungsfreiheit. Die Rolle von Zensur spielt ebenso eine Rolle wie, was Filterblasen damit zu tun haben und -- in einem Nachtrag, der nötig wurde, weil das LG Würzburg zwischenzeitlich am 07.03.2017 (Az. 11 O 2338/16) in der Anas M.-Sache gegen Facebook geurteilt hat -- was Facebook derzeit tun muss, um Hetze zu unterbinden, und warum Facebook ungern als Presseanbieter gelten will.

Die längsten Legal Bits bisher, gute Unterhaltung!

Zum Thema noch zwei Empfehlungen für andere Podcasts:

Logbuch Netzpolitik 209 von Linus Neumann und Tim Pritlove
Rechtsbelehrung 43 von Dr. Thomas Schwenke und Marcus Richter

04:00: Was sind eigentlich Fake News?

Wir unterscheiden zwischen Tatsachen und Meinungen und beleuchten Aspekte dazu, welche Tragweite der Unterschied hat, erwähnen außerdem, was "Postfakten" und "alternative Fakten" sein sollen, und zum Recht auf freie Meinungsäußerung.

Zur Differenzierung regen wir an, zwischen "richtig" und "falsch" im Sinne der englischen "correct" and "wrong" zu unterscheiden, nicht zwischen "right" (im ethischen bzw. bewerteten Sinn) und "wrong".

14:36: Darf man -- online oder nicht -- falsche Tatsachen verbreiten?

Wir beleuchten die allgemeine Handlungsfreiheit -- und damit die (wohlgemerkt grundsätzliche, aber natürlich nicht schrankenlose!) Freiheit zu sagen, was immer man möchte -- unter den verschiedenen "rechtlichen Brillen", durch eine Äußerung einer falschen Tatsache illegal, gegebenenfalls sogar strafbar oder wettbewerbswidrig ist. Wir sprechen über Beleidigungs- und Hetzedelikte, Kollektiv- und Majestätsbeleidigung ebenso wie Bewertungen in Online-Portalen.

23:21: Welche Rolle spielt Satire in diesem Zusammenhang?

Spätestens seit Satireblättern wie dem Postillon stellt sich die Frage, was man über diese Medien äußern oder verbreiten darf. Wir versuchen darzulegen, wo der Unterschied zwischen Satire und Fake News ist und was Satire darf. Am Rand erläutern wir, wie sich Kunst definieren lassen kann, und hier kommt natürlich auch der Rechtsstreit zwischen Jan Böhmermann und dem türkischen Präsidenten Erdoğan (Teil der so genannten "Böhmermann-Affäre") zur Sprache, in dem zwischenzeitlich das LG Hamburg mit Beschluss vom 17.05.2016 (Az. 324 O 255/16) entschieden hat. Bemerkenswert an der letztgenannten Entscheidung sind einerseits, dass sowohl der Inhalt wie auch der Kontext der Darbietung des beurteilten Schmähgedichtes (die so genannte "Einkleidung") zu bewerten sind (und sich hier die teilweise Illegalität des Schmähgerichtes aus der Einkleidung ergab), andererseits, dass Menschenrechte verletztende Staatsoberhäupter auch ein Recht auf Menschenrechte haben.

33:45: Wem drohen bei Fake News Konsequenzen?

Urheber, aktive Verbreiter

Ja, nach den üblichen Regeln. :)

Plattformanbieter

Dass der Urheber/Verbreiter für seine Posts haftet bzw. strafbar ist, ist wohl klar, aber auch Plattformanbieter wie Facebook, Twitter und Google haben Verantwortlichkeiten. Die hier relevante Störerhaftung nach § 10 TMG wird derzeit aufgeregt diskutiert. Unabhängig davon, welche Pflichten Facebook & Co. treffen, ist schon fraglich -- und für den jeweiligen Plattformbetreiber im Zweifel schwer zu prüfen --, ob z. B. das jeweilige Bild von Anfang an veröffentlicht werden durfte (Stichwort hier: "Person der Zeitgeschichte" nach §§ 22, 23 KUrhG) und, wenn ja, wie lang das so ist.

Problematisch beim Rechtsstreit von Anas M. gegen Facebook war -- und ist noch immer -- die Frage, ob Facebook nur auf Hinweise auf rechtswidrige Posts reagieren oder auch proaktiv gegen solche Posts vorgehen muss. Das LG Würzburg hat in seinem Urteil im einstweiligen Rechtsstreit vom 07.03.2017 (Az. 11 O 2338/16, nicht öffentlich abrufbar) entschieden, dass Facebook nur reagieren muss (und ein paar kleine Eingrenzungen gemacht) (diesen Teil erfahrt ihr im Update am Ende des Podcasts). Der EuGH hatte schon im Jahr 2011 zweimal geurteilt, nationale Gerichte müssten von ihrer Zuständigkeit her in der Lage sein, erneute Verletzungen wirksam vorzubeugen (EuGH-Urteil vom 12.07.2011 (Az. C-324/09, "L'Oreal"), außerdem EuGH-Urteil vom 24.11.2011 (Az. C-70/10)), aber hiervon hat das LG Würzburg offensichtlich keinen Gebrauch gemacht, obwohl das z. B. auch schon in einem Rechtsstreit GEMA gegen YouTube einst schon getan worden war.

Das Hanseatische OLG hatte übrigens auch schon 2016 (am 01.07.2015 (Az. 5 U 87/12, 5 U 175/10)) gegen eine proaktive Filterpflicht geurteilt.

Wir sprechen auch Bewertungen z. B. auf dem Ärzteportal Jameda an und was der Plattformanbieter tun muss, um den Wahrheitsgehalt einer Behauptung zu prüfen.

Außerdem sprechen wir an, ob Facebook Gegendarstellungen veröffentlichen muss und warum Facebook versucht, möglichst nicht als Presseanbieterin zu gelten.

Bot-Betreiber

Man muss nach unserer Ansicht stark differenzieren, welche Art von Bot jeweils betroffen ist, weil je nach Ausgestaltung ein Bot nur ein "verlängertes Sprachrohr" sein oder für die Bewertung einer Aussage völlig irrelevant sein kann.

Politiker und Parteien

Nach Art. 21 GG sollen Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Wir sprechen über die Tragweite dieser Aufgabe und darüber, dass die alten Griechen nach einem FAZ-Artikel vom 01.08.2013 dasselbe Wort für "Irrtum" wie für "Lüge" hatten. Und ja, wir erwähnen auch Trump, aber nur am Rand, kurz.

55:46 Zensur und Meinungsäußerungsfreiheit

Wir sprechen zunächst darüber, was überhaupt Zensur ist und was u. a. Facebook tun muss bzw. darf. Außerdem sprechen wir (ab 59:00) über Tim Pritloves Idee, der Polizei Zugang zu sozialen Netzwerken mit besonderen Rechten zu gewähren, also z. B. Daten von Nutzerkonten anderer Personen einsehen oder vielleicht sogar direkt löschen zu können. Man muss aber die Gewaltenteilung einhalten, was nach unserer Ansicht auch beinhaltet, dass man bei Streitigkeiten in sozialen Netzwerken nicht über übereilte Polizeiaktionen austragen darf.

62:05 Fazit

  • Facebook muss sich bewegen und zukünftig mehr tun als bisher.
  • Meinungsäußerungsfreiheit wir dann nicht "zensiert", wenn man sich mit seiner Äußerung im strafrechtlichen Bereich bewegt, etwa bei Beleidigungsdelikten und Volksverhetzung.
  • Bitte darum, beim Verlinken die verlinkten Quellen auf Wahrheitsgehalt zu prüfen (oder es jedenfalls zu versuchen).
  • Volker berichtet von einer nicht öffentlichen internationalen Studie, nach der Internet-Nutzer und nicht-Internet-Nutzer je nach Land teilweise signifikant unterschiedliche Intelligenzquotienten aufweisen.

71:10 Endrunde

Fragen an euch:

  • Wo ist für euch der Unterschied zwischen Satire und Fake News?
  • Was haltet ihr von der Filterblase? Wie viel konträre Ansichten sind gut?
  • Wie kann Facebook zukünftig mit rechtswidrigem Content umgehen?

73:10 Nachtrag zum Urteil des LG Würzburg

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Die Einsprecher und der schöne Weihnachtsgesag kommen von Sarah Nakic aus Köln.

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