Folge 13: Urheberrechtsreform aktuell in Europa und Deutschland

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Nicht nur Filesharing gibt es seit einigen Jahren, sondern in Deutschland werden seit einigen Jahren auch zahlreiche Abmahnungen für das Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken verschickt. Dieser Podcast ist die logische und auditive Verlängerung eines schon mehrere Jahre alten Blog-Eintrages auf dieser Website, in dem die Einzelheiten erklärt wurden. Wir erläutern in diesen Legal Bits Hintergründe, Verteidigungsmöglichkeiten und höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre zum Thema.

00:59: Inhaltliche Einleitung

Diesmal sprechen wir über den Vorschlag der EU-Kommission vom 14.09.2016 für eine Urheberrechtsreform in Form einer Richtlinie.

02:35: Was beinhaltet die geplante EU-Urheberrechtsreform

Im Kern beinhaltet die geplante Richtlinie:: 

  • Data Mining für Forschung (Art. 3)
  • Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Lehre (Art. 4)
  • Zulässigkeit von Archivierung von Kulturerbe (Art. 5, 7)
  • Regelung für grenzüberschreitende Nutzungen (Art. 8)
  • “faire” Vergütung der Verleger (Art. 11, 12) inkl. Informationspflicht seitens Plattformbetreibern gegenüber Rechteinhabern über die Nutzung derer Werke auf der Plattform (Art. 14) und Nachregulierungsrecht (Art. 15)
  • Pflicht zur Durchsuchbarkeit von Plattforminhalten (Art. 13)
  • Presseverlegerrecht soll 20 Jahre lang gelten (Art. 11 Abs. 4)

03:56: Kritik am Vorschlag: vor allem Art. 11 und 13

Offener Brief European Research Centres auf create.ac.uk vom 22.02.2017, in dem vor allem die Artikel 11 und 13 harsch kritisert werden

04:45: Hauptkritikpunkt 1: Art. 11: "die Google-Steuer"

Artikel 11: Schutz von Presseveröffentlichungen im Hinblick auf digitale Nutzungen

  1. Die Mitgliedstaaten legen Bestimmungen fest, mit denen Presseverlage die […] Rechte für die digitale Nutzung ihrer Presseveröffentlichung erhalten.
  2. […]
  3. […]
  4. Die in Absatz 1 genannten Rechte erlöschen 20 Jahre nach der Veröffentlichung der Presseveröffentlichung. Die Berechnung dieser Zeitspanne erfolgt ab dem 1. Januar des auf den Tag der Veröffentlichung folgenden Jahres.

Kritikpunkte:

  • Es wird an die bisherigen Tatbestände für Urheberrecht angeknüpft (Vervielfältigung, öffentliche Zugänglichmachung), statt "Internet zu denken".
  • Autoren werden nicht berücksichtigt, sondern nur Verlage.
  • Online-Kommunikation wird durch diese Regelung völlig verändert.
  • 20 Jahre Zahlungspflicht für Presseartikel ist absurd.
Stellungnahme von Catherine Stihler vom 20.02.2017 zum Vorschlag und zur einfachen Möglichkeit der Verlage, schon aktuell Content aus Google-Suchen zu entfernen

Wir sprechen auch über die "künstliche Verdunkelung", die das 20-jährige Schutzrecht auslösen wird, außerdem über die Komplexität eines entsprechenden Vergütungsmodells.

Volker führt außerdem bildlich aus, welches Schicksal die FAZ seit den 90er-Jahren widerfahren ist und dass Presseverlage auch und vermutlich vorrangig nicht damit einverstanden sind, dass Google & Co. ihnen Werbeeinnahmen wegschnappen.

Ab 14:45 min besprechen wir, wofür Günther Oettinger nach unserer Meinung das Internet hält und warum er vermutlich Presseverlage hofiert.

16:15: Hauptkritikpunkt 2: Art. 13: Content-Upload-Filter und Durchsuchbarkeitspflicht

Artikel 13: Nutzung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen Werke und sonstigen Schutzgegenstände speichern oder zugänglich machen

  1. Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen Werke und sonstigen Schutzgegenstände in Absprache mit den Rechteinhabern speichern oder öffentlich zugänglich machen, ergreifen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die mit den Rechteinhabern geschlossenen Vereinbarungen, die die Nutzung ihrer Werke oder sonstigen Schutzgegenstände regeln, oder die die Zugänglichkeit der von den Rechteinhabern genannten Werke oder Schutzgegenstände über ihre Dienste untersagen, eingehalten werden. Diese Maßnahmen wie beispielsweise wirksame Inhaltserkennungstechniken müssen geeignet und angemessen sein. Die Diensteanbieter müssen gegenüber den Rechteinhabern in angemessener Weise darlegen, wie die Maßnahmen funktionieren und eingesetzt werden und ihnen gegebenenfalls über die Erkennung und Nutzung ihrer Werke und sonstigen Schutzgegenstände Bericht erstatten. […]

Wir sprechen über Content-Upload-Filter und die verwendeten Begriffe, außerdem die logischen Konsequenzen der Prüfpflicht, inklusive der Tatsache, dass die Konflikte, die diese Pflichten verursachen, entsprechende Prozesse erfordern, mit denen die Plattformbetreiber den Rechteinhabern und Plattformnutzern begegnen kann.

Bemerkenswert: Die Plattformbetreiber sind eigentlich nicht primär zahlungspflichtig, weil die Plattformbetreiber gegebenenfalls rechtswidrig hochgeladene Werke nicht selbst hochgeladen haben. Obwohl eigentlich die Nutzer also schadensersatzpflichtig wären, geht man hier nun auf die Plattformbetreiber zu und fordert offenbar -- oder geht jedenfalls davon aus, dass das so zu tun sei -- Vergütung direkt vom Plattformbetreiber. Wir sprechen auch über das Haftungsprivileg der Plattformbetreiber nach § 10 TMG und dass und wie der hier diskutierte Entwurf diesen Grundsatz verändert.

Kritikpunkt ist auch, dass die Plattformbetreiber Inhalte nicht zuverlässig auf Rechtsverletzungen prüfen können und durch diesen Entwurf zu einer Art "Internet-Polizei" werden und zu Zensoren gemacht werden, was nach unserer Ansicht weder so vorgesehen noch rechtmäßig ist.

Wir erwähnen außerdem, dass Plattformbetreiber durch eine Durchsuchbarkeit ziemlich sicher auch reihenweise gegen Verschwiegenheits- und Datenschutzpflichten verstoßen werden.

Kritikpunkt außerdem: Hier versucht man offensichtlich, Probleme zu lösen, die man immer schon hatte. Zum einen ist die Rechteindustrie nach wie vor einen Beweis (oder auch nur einen schlüssigen Beleg) dafür schuldig geblieben, dass das "illegale" Teilen von Inhalten überhaupt zu dem Schaden führt, der sogar von Gerichten heutzutage angenommen wird. Besonders bigott wirkt aber nach unserem Dafürhalten, dass nun die Presseverlage eine Vergütung für etwas fordern, mit dem sie in der Vergangenheit sogar gutes Geld verdient haben, nämlich deren offene Ansage, Werbepartner sollten doch mehr Geld für Anzeigen bezahlen, weil Zeitungen deutlich mehr Personen erreichen, als die Zeitung Käufer bzw. Auflage hat.

32:00: Braucht man eigentlich EU-Urheberrecht?

Aus zwei Hauptgründen brauchen wir eine EU-weite Urheberrechtsnovelle:

  1. Die bisherigen Messlatten für Urheberrechtsverletzungen (Vervielfältigung, öffentliches Zugänglichmachen) sind nicht mehr zeitgemäß. Heutzutage werden überall -- jedenfalls nach aktuellem Recht -- Urheberrechtsverletzungen begangen, die aber so gut wie niemand verfolgt überhaupt noch als "nicht in Ordnung" wahrnimmt. Kulturteile wie Mash-ups könnten ohne eine solche Reform gar nicht existieren.
  2. Europa braucht grenzüberschreitende Regelungen, weil Internet auch nicht an Grenzen stoppt und ansonsten Online-Geschäft nicht mehr verlässlich funktionieren kann.

Julia Reda sagte in einem Interview im September 2015 einmal:

“Das Urheberrecht muss einen Ausgleich schaffen zwischen den Menschenrechten auf Schutz der eigenen Werke, auf Bildung und auf kulturelle Teilhabe. Um nicht in fundamentalem Widerspruch zum digitalen Zeitalter zu stehen, darf die Kernfrage eines zeitgemäßen Urheberrechts nicht mehr bloß die nach der Vervielfältigung sein – es muss vielmehr zwischen Nutzungen unterschieden werden, die der Verwertung eines Werkes tatsächlich im Weg stehen und solchen, die etwa Teil alltäglichen kulturellen Ausdrucks, öffentlichen Bildungsauftrags oder wissenschaftlicher Arbeit sind. Und schließlich muss es den kulturellen Austausch über geographische Grenzen hinweg befördern, statt ihn zu behindern – das geht am besten in Form eines EU-weit einheitlichen Rechtstitels.”

40:20: Deutschlands Reformpläne für Urheberrecht

Wir sprechen über den Entwurf der BReg eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft vom 07.04.2017, der das bestehende UrhG ändern soll. Darin finden sich manche Regelungen oder jedenfalls deren Gedanke zu urheberrechtlichen Erlaubnistatbeständen für Forschung, Lehre und Wissenschaft wieder, z. B. für das Text- und Data Mining.

41:50: Wie geht's mit der EU-Urheberrechtsrichtlinie weiter?

Es gab etwa 1.500 Änderungsanträge und bleibt abzuwarten, welche davon angenommen werden, welche nicht und was am Ende herauskommt.

43:40 Fazit

Wir haben in dieser Folge das Fazit an den entsprechenden Stellen schon gezogen, betonen noch einmal Julia Redas Zitat. Art. 11 und 13 des diskutierten Entwurfes sind nach unserer Ansicht jedenfalls Schritte in die falsche Richtung und versuchen, Probleme mit ungeeigneten Werkzeugen zu lösen, die man schon immer hatte.

Damit hätten wir den Podcast beenden können, aber hier starten wir eine Diskussion dazu, wie Presseverlage in Zukunft funktionieren können und wie sie nicht funktionieren können. Vor allem werden nach unserer Ansicht Werbeanzeigen immer weiter an Wert verlieren, sodass es perspektivisch gesehen nicht einmal sinnvoll ist, sich primär an Google zu klammern, da auch Google nicht ewig mit Werbeeinnahmen genug Geld verdienen können wird, um so weiter zu existieren, wie sie das heute tut. Presseverleger haben gegenüber zudem keine gute Verhandlungsposition mehr, weil gleichzeitig ihre Klickzahlen nicht hoch genug für ihre Forderungen sind und der Kuchen immer kleiner wird.

Die Transparenzpflicht für Cloud-Inhalte ist für allerdings überhaupt nicht akzeptabel. Sprecht eure EU-Abgeordneten an! Sagt ihnen, dass sie dagegen dringend tätig werden müssen!

56:50 Endrunde

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Die Einsprecher und der schöne Weihnachtsgesag kommen von Sarah Nakic aus Köln.

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